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Literatur

Mit spitzer Zunge überquert Laurence Boissier den Röstigraben

https://www.srf.ch/sendungen/schnabelweid/franzoesisch-und-berndeutsch-laurence-boissiers-safari
Die Genferin Laurence Boissier ist trotz Schweizer Literaturpreis in der Deutschschweiz wenig bekannt. Ihr neues Buch «Safari» taugt auch für Französischscheue. Sie liest in Luzern, Zug und Bern.
Céline Graf 12.04.2019
S. auch: https://www.srf.ch/sendungen/schnabelweid/franzoesisch-und-berndeutsch-laurence-boissiers-safari


Laurence Boissier

Laurence Boissier sieht sich als Französischsprachige im Spoken-Word-Kollektiv «Bern ist überall» nicht als Exotin. (Bild: Julien James Auzan)

Ein «Mangel an Talent für den Rest» ist der Grund, weshalb Laurence Boissier beim Schreiben gelandet ist. Das sagte die Genfer Autorin der Zeitung «Le Temps». Ob beim Roten Kreuz, in der Verwaltung oder als Innenarchitektin – nie fühlte sie sich am richtigen Ort. Bis sie sich mit über 40 Jahren für die Kunsthochschule anmeldete. «Das war meine Rettung.» Sie hat einen starken Drang, kreativ zu sein. «Ich lebe ihn täglich aus. Beim Schreiben, Zeichnen, Basteln, ja sogar beim Karottenschneiden.»
Genferin in Berner Gruppe
In der Romandie erhielt die 53-Jährige, die beim Lausanner Verlag art&fiction publiziert, einige Förderpreise. Ihr Familienroman «Inventaire des lieux» bekam 2017 einen Schweizer Literaturpreis. In der Deutschschweiz blieb das mangels Übersetzung beim breiten Publikum unbemerkt. Am Donnerstag taufte sie ihr neues Buch «Safari» in Zürich an einer Doppelvernissage mit Gerhard Meister, der sein Buch «Mau öppis ohni Bombe» vorstellte.
Französisch ist dank parallelen berndeutschen Übersetzungen von Daniel Rothenbühler keine Voraussetzung, um «Safari» zu lesen. Boissiers erste Einzelpublikation im Spoken-Word-Verlag «Der gesunde Menschenversand» enthält vor allem Texte, die sie für ihre Auftritte mit der Gruppe «Bern ist überall» geschrieben hat. Als Exotin zwischen Autoren wie Gerhard Meister oder Pedro Lenz, die vor allem auf Schweizerdeutsch schreiben, sieht sie sich aber nicht. Sie findet:
«Französisch ist genauso geeignet für performte, laut gesprochene Texte.»
Wer Boissier live hört, gibt ihr recht. Und ebenfalls, wer «Safari» liest. «Déjà, on choisit la musique qui va accompagner ce beau moment.» Schön, nicht? Je zarter die Klangfarben, umso skurriler sind bei ihr die Themen. Die Autorin redet ein ernstes Wörtchen mit einem Salzteig («Petite chose en pâte à sel») oder einem Schwamm («Évolution»). Sie versetzt sich in ein Mädchen hinein, das zu dem Typen werden will, der die weissen Linien auf die Strasse malt («Blanc»). Sie schickt ein U-Boot auf einen makabren Tauchgang («Sink Tank»).
Jähe Wendungen
Auch die Dramaturgie überrascht. Geschichten nehmen jähe Wendungen oder hören mitten im Crescendo auf. Typisch ist auch ihre eigentümliche, manchmal böse Ironie. «Das ist meine britische Seite», sagt Boissier. Ihre Mutter stammt aus Wales. Die gespitzte Humorklinge richtet sie auch gegen sich selbst. Wenn sie etwa gesteht, wie sie in der Bibliothek heimlich ihre Bücher aus der unbesuchten Abteilung für Schweizer Literatur zwischen die Bestseller der skandinavischen Krimis stellt. Es stört sie aber, wenn sie zu hören bekommt, sie sei lustig. «In einem Text, mit dem ich zufrieden bin, steckt viel mehr.» Sie brauche lange zum Schreiben, zum Finden ihrer Melodie.
Mit «Safari» möchte Laurence Boissier dazu beitragen, den Röstigraben zwischen der Romandie und der Deutschschweiz zu verkleinern. Diesen nimmt sie als tief wahr. «Es gibt schlimme Vorurteile auf beiden Seiten», sagt sie. So verpasse man vieles, vor allem sprachlich:
«Ich finde Schweizerdeutsch interessant und träume von einem längeren Sprachaufenthalt in Bern.»

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