DIE DEUTSCHE SPRACHE IN LITERATUR, GESELLSCHAFT UND POLITIKSpra Die Samen im hohen Norden und ihre Sprachen SCHUTZ UND FÖRDERUNG SPRACHLICHER MINDERHEITEN IN SCHWEDEN
Mehrheitsgesellschaft und Minderheiten
Lange war Schweden ein zentralistischer Staat, der mit sprachlichen Minderheiten ziemlich rücksichtslos umging. Das hat sich in den letzten zwanzig Jahren geändert; heute kann Schweden mit seiner Minderheitenpolitik als sehr fortschrittlich gelten.
Schwedisch ist nicht nur die Mehrheitssprache, sondern seit 2009 auch gesetzlich die Hauptsprache (huvudspråk) in Schweden; es ist auch überall Amtssprache. Ohne gute Beherrschung des Schwedischen ist Erfolg in Beruf und Gesellschaft nicht möglich. Lange hatten die Sprachen der ethni-schen Minderheiten keinen Platz in Schulen und Ämtern, die Assimilation wurde gefördert.
Seit dem Jahre 2000 gewährt Schweden jedoch auch traditionellen sprachlichen Minderheiten Rechte. Der Reichstag setzt im Gesetz über die nationalen Minderheiten (Lag om nationella minoriteter och minoritetsspråk (2009:724)) für die Anerkennung einer solchen Minderheit voraus, dass es sich um eine sprachliche Gemeinschaft handelt, mit der sich ihre Angehörigen identifizieren (samhörighet), eine Minderheit, welche willens und bestrebt ist, ihre Identität zu behalten und seit langer Zeit mit Schweden verbunden ist. In diesem Sinne sind fünf Minderheiten anerkannt: Finnen, Tornedalsfinnen, Juden, Roma und Samen (Lappen). Historisch gesehen sind auch die Deutschen eine alte Minderheit, aber sie sind größtenteils in der schwedischen Nation aufgegangen, nicht ohne deren Sprache und Kultur nachhaltig zu prägen. Es gibt aber mitten in Stockholm und Gotenburg (Göteborg) immer noch deutsche Schulen und alte deutsche Kirchgemeinden mit ei-genen Kirchen. Auch sonst ist der Zugang zur deutschen Sprache und Kultur einfach. Jene Deutschen, die an ihrer Sprache festhalten, sehen sich selbst aber nicht als Minderheit, sondern als ein Teil der Mehrheitsgesellschaft.Schwedens Minderheiten im Überblick
Drei der sprachlichen Minderheiten, nämlich Finnen, Tornedaler und Samen, siedeln in zusammenhängenden Gebie-ten, wo sie besondere Rechte genießen.
Finnen und Tornedaler; Finnisch und Meänkieli
Es gibt zweierlei Finnen in Schweden. Die einen sind die Tornedalsfinnen oder Tornedaler (tornedalingar), die andern die Schwedenfinnen (sverigefinnar). Die Tornedaler siedeln in einem geschlossenen Gebiet in Norrland zwischen dem oberen Ende des Bottnischen Meerbusens und Treriksröset, dem Grenzpunkt Schwedens, Norwegens und Finnlands. 1888 verschwand das Tornedalsfinnisch (Meänkieli ‚unsere Sprache’) aus den Schulen, weil Schweden diese Minderheit an der Reichsgrenze assimilieren wollte. Diese Politik wurde bis in die Sechzigerjahre geführt, dann aber allmählich aufgegeben. 2010 wurde Meänkieli als Minoritätensprache anerkannt. Die heutigen Tornedaler fühlen sich als Schweden und sprechen meist besser Schwedisch als Finnisch. Sie wollen auch keine Finnen sein; darum ist Meänkieli überhaupt verschriftlicht worden. Linguistisch gesehen ist es keine eigene Sprache, sondern eine Varietät des Standardfinnischen. In Tornedalen und Umgebung stehen heute die beiden engen Verwandten Finnisch und Meänkieli als Minderheitssprachen in einer gewissen Konkurrenz zueinander; vielen Tornedalern ist sehr wohl bewusst, dass Meänkieli eigentlich Finnisch ist. Der Hauptunterschied besteht darin, dass viele schwedische Wörter übernommen worden sind, die es im Standardfinnischen nicht gibt. Finnisch und Meänkieli sind deutlich auf dem Rückzug, gerade bei der jüngeren Generation, obwohl beide offiziell gestützt werden. Die Förderung der Minderheitensprache durch Kindergarten und Schule ist jedoch für die Schulkinder fakultativ. Das Urvolk der Samen Die Samen haben als ein indigenes Volk eine Sonderstellung in Skandinavien. Samisch gehört zwar zu den finnisch-ugrischen Sprachen, ist jedoch nur entfernt mit dem Finnischen verwandt. Es ist stark in seinem Bestand gefährdet; der schwedische Staat fördert es heute gezielt, um es vor dem Aussterben zu bewahren. Eine Darstellung der samischen Sprache oder Sprachengruppe bietet der Beitrag auf S. 35 ff. Schwedens Minderheitspolitik heute Minderheiten im schwedischen Recht Verwaltungsbezirke mit Minderheitssprachen Die Regierung bestimmt Verwaltungsbezirke, in denen eine Minderheitssprache auch Amtssprache ist. Die Regelung ist elastisch: Gemeinden können in einen Verwaltungsbezirk eingefügt, aber auch wieder daraus entlassen werden. Die Aufnahme von Gemeinden wird großzügig gehandhabt; Sa-misch ist in einem Gebiet zwischen Östersund, Umeå und Kiruna Amtssprache. 1. Behördensprache In diesen Verwaltungsbezirken haben Privatpersonen im Ver-kehr mit den Behörden das Recht, Finnisch, Meänkieli bzw. Samisch zu sprechen und zu korrespondieren. Dasselbe gilt für Kontakte mit Gerichten und bestimmten Reichsbehörden. Die Verwaltungen sind gehalten, zu bestimmten Zeiten Personal zur Verfügung zu stellen, welches die Personen in ihrer Sprache bedienen kann. 2. Minderheitssprachen in Schule und Altenpflege Auf Antrag der Erziehungsberechtigten können Kinder in die-sen Verwaltungsbezirken einen Kindergarten in ihrer Mutter-sprache besuchen; sie haben das Recht, in der Grundschule sowohl in ihrer Muttersprache als auch im Schwedischen gefördert zu werden. Mit pflegebedürftigen alten Menschen soll möglichst in ihrer Muttersprache kommuniziert werden.
Finnen und Tornedaler; Finnisch und Meänkieli
Es gibt zweierlei Finnen in Schweden. Die einen sind die Tornedalsfinnen oder Tornedaler (tornedalingar), die andern die Schwedenfinnen (sverigefinnar). Die Tornedaler siedeln in einem geschlossenen Gebiet in Norrland zwischen dem oberen Ende des Bottnischen Meerbusens und Treriksröset, dem Grenzpunkt Schwedens, Norwegens und Finnlands. 1888 verschwand das Tornedalsfinnisch (Meänkieli ‚unsere Sprache’) aus den Schulen, weil Schweden diese Minderheit an der Reichsgrenze assimilieren wollte. Diese Politik wurde bis in die Sechzigerjahre geführt, dann aber allmählich aufgegeben.
2010 wurde Meänkieli als Minoritätensprache anerkannt. Die heutigen Tornedaler fühlen sich als Schweden und sprechen meist besser Schwedisch als Finnisch. Sie wollen auch keine Finnen sein; darum ist Meänkieli überhaupt verschriftlicht worden. Linguistisch gesehen ist es keine eigene Sprache, sondern eine Varietät des Standardfinnischen.
In Tornedalen und Umgebung stehen heute die beiden engen Verwandten Finnisch und Meänkieli als Minderheitssprachen in einer gewissen Konkurrenz zueinander; vielen Tornedalern ist sehr wohl bewusst, dass Meänkieli eigentlich Finnisch ist. Der Hauptunterschied besteht darin, dass viele schwedische Wörter übernommen worden sind, die es im Standardfinnischen nicht gibt. Finnisch und Meänkieli sind deutlich auf dem Rückzug, gerade bei der jüngeren Generation, obwohl beide offiziell gestützt werden. Die Förderung der Minderheitensprache durch Kindergarten und Schule ist jedoch für die Schulkinder fakultativ.Das Urvolk der Samen
Die Samen haben als ein indigenes Volk eine Sonderstellung in Skandinavien. Samisch gehört zwar zu den finnisch-ugrischen Sprachen, ist jedoch nur entfernt mit dem Finnischen verwandt. Es ist stark in seinem Bestand gefährdet; der schwedische Staat fördert es heute gezielt, um es vor dem Aussterben zu bewahren. Eine Darstellung der samischen Sprache oder Sprachengruppe bietet der Beitrag Die Samen im hohen Norden.Schwedens Minderheitspolitik heute - Minderheiten im schwedischen Recht
Verwaltungsbezirke mit Minderheitssprachen
Die Regierung bestimmt Verwaltungsbezirke, in denen eine Minderheitssprache auch Amtssprache ist. Die Regelung ist elastisch: Gemeinden können in einen Verwaltungsbezirk eingefügt, aber auch wieder daraus entlassen werden. Die Aufnahme von Gemeinden wird großzügig gehandhabt; Samisch ist in einem Gebiet zwischen Östersund, Umeå und Kiruna Amtssprache.
1. Behördensprache
In diesen Verwaltungsbezirken haben Privatpersonen im Verkehr mit den Behörden das Recht, Finnisch, Meänkieli bzw. Samisch zu sprechen und zu korrespondieren. Dasselbe gilt für Kontakte mit Gerichten und bestimmten Reichsbehörden. Die Verwaltungen sind gehalten, zu bestimmten Zeiten Personal zur Verfügung zu stellen, welches die Personen in ihrer Sprache bedienen kann.
2. Minderheitssprachen in Schule und Altenpflege
Auf Antrag der Erziehungsberechtigten können Kinder in diesen Verwaltungsbezirken einen Kindergarten in ihrer Muttersprache besuchen; sie haben das Recht, in der Grundschule sowohl in ihrer Muttersprache als auch im Schwedischen gefördert zu werden. Mit pflegebedürftigen alten Menschen soll möglichst in ihrer Muttersprache kommuniziert werden.
3. „Meine Sprache zurückgewinnen“ (Att återta mitt språk)
Die Samen werden dazu ermuntert, ihre Sprache auch noch als Erwachsene zu lernen. Dazu werden Sprachkurse angeboten, und es gibt ein Schulungszentrum in Östersund (Gaaltije sydsamiskt kulturcentrum). Das Unterfangen ist schwierig, weil im modernen Wohlfahrtsstaat ein starke Druck zur Konformität herrscht.
4. Sichtbarmachung
In Sápmi, der Heimat der Samen, wird Samisch durch zweisprachige Beschilderungen sichtbar gemacht und aufgewertet.
5. Einfluss der Minderheiten selbst in der Politik
“Die Minderheiten wissen selbst am besten, was für Bedürfnisse und Voraussetzungen sie haben.”
Die Samen möchten, dass alle die Möglichkeit haben, eine gute Zweisprachigkeit zu erreichen. Die Kluft zwischen Rechten in der Theorie und den Möglichkeiten in der Praxis soll geschlossen werden. Auch Samen, die selbst kein Samisch können, halten es für wichtig, dass Samisch erhalten, gefördert und entwickelt wird.
Die Stadtbibliothek in Östersund / Staare, Jämtland
Aufschrift auf Schwedisch und Südsamisch. Die Stadt hat gut 50'000 Einwohner; in ganz Jämtland gibt es jedoch nur gerade 300 bis 400 Sprecher des Südsamischen.Ausblick
Die Samen streben nicht nur danach, ihre Sprache zu bewahren und zu fördern, die Zahl der Sprecher und deren Kompetenz im Samischen zu stabilisieren und wenn möglich zu erhöhen. Sie wollen auch mehr Befugnisse, sie wollen Jagd und Fischerei in Sápmi, ihrem traditionellen Siedlungsgebiet. Sie möchten auch mehr zur Bodennutzung für Bergbau und Holzwirtschaft und zur Wassernutzung für Kraftwerke zu sagen haben.
Sápmi, das Land der Samen
Die samischen Einzelsprachen werden in Sápmi nur von etwa zwanzig- bis dreißigtausend Leuten gesprochen. In Schweden ziehen die nomadisierenden Samen im Winter von Umeå bis Haparanda hinunter bis zum Bottnischen Meerbusen. (Siehe dazu die Karte S. 42)
https://www.quora.com/What-can-be-said-about-the-Sami-and-their-mentalityOptimistisch stimmt, dass die Samen von heute kämpferisch gesinnt, selbstbewusst und zuversichtlich sind. Der schwedische Staat hat seine Haltung geändert: Aus eigener Einsicht, unter dem Einfluss eines internationalen Diskurses und auch geplagt von einem schlechten Gewissen hat er sich von der früheren sprachlichen und auch ethnischen Verdrängungspolitik abgewandt und fördert nun speziell die samische Minderheit nach Kräften. Einige Erfolge sind festzustellen, der Niedergang des Samischen scheint bereits etwas gebremst; einzelne spektakuläre Fälle, wo Erwachsene ihre samische Sprache nachträglich gelernt haben, erregen Aufsehen.
Die Hoffnungen werden etwas gedämpft durch die weitgehende Assimilation der samischen Bevölkerung. Samisch lernt einer nur aus Enthusiasmus für sein kulturelles Erbe; wirtschaftliche Vorteile bringt diese schwere Sprache kaum. Unter wesentlich besseren Bedingungen verlor die irisch-gälische Sprache nach der Gründung des Freistaates weiter an Boden; erst in den letzten Jahrzehnten hat es in den Städten Fortschritte gemacht, während es auf dem Lande in der verbliebenen Gaeltacht stagniert.
rww