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DIE DEUTSCHE SPRACHE IN LITERATUR, GESELLSCHAFT UND POLITIK
Turbach
Blick vom Giferhorn
Lauenen
Mundart
SAANENDEUTSCH,
DIE ALTE SPRACHE DES SAANENLANDES

von Rolf Marti, Gstaad

Das Saanenland liegt im westlichen Berner Oberland und trat wie das benachbarte Simmental sehr früh ans Licht der Geschichte. Nach der Besiedelung im frühen Mittelalter zog ein Teil der Bevölkerung weiter über den Sanetsch, einen heute weitgehend un- bekannten, damals aber bedeutenden Pass, in den Raum von Savièse und dann durch das Wallis in den Raum Zermatt und schließlich auf die Alpensüdseite. Dies war bereits im 10. Jahr- hundert der Fall, da im 11. Jahrhundert im Augsttal (Val d‘ Aosta) erste „Teotonici“ oder „Allemand(e)s“ in den Urkunden erscheinen. Die Menschen zogen aber nicht nur in Nord-Süd- Richtung, sondern auch westlich über den Bruch (heute Jaunpass) und besiedelten die Gemeinde Jaun mit dem Dorf Im Fang. 1 Weitere Siedlungsschübe gingen das Saanetal abwärts ins Welsche Saanenland: das Waadtländer Oberland oder Pays-d’Enhaut. 2 Die beiden Talabschnitte bilden eine gemeinsame Landschaft, die bis Napoleon länger vereint war als wie heute politisch getrennt. Dies ist nicht einfach eine geschichtliche Tatsache, noch heute sind die Verbindungen über die Kantonsgrenze häufiger als ins benachbarte Simmental, das jenseits der Wasserscheide liegt.
In dieser uralten Kulturlandschaft bleibt es nicht erstaunlich, dass die Volkssprache eine ebenso alte Geschichte und ebensolche Spuren in sich trägt. Die weitläufige, offene Landschaft ließ ausreichend Raum für eine eigene Volkskultur, die immer noch gepflegt wird, trotz oder wegen des internationalen Tourismus. Lange, bis an die Schwelle der Neuzeit, war der Weg lang und weit. Noch im 20. Jahrhundert dauerte eine Postkutschenfahrt von Spiez bis Saanen volle 8 Stunden, und zwar wohl vermerkt nur für einen Weg!
Daraus ergibt sich einerseits, dass verschiedene Redensarten und Ausdrücke hier noch lebendig sind, die einstmals auch im Mittelland verwendet wurden, es handelt sich also um ein Rückzugsgebiet. Dazu gehört etwa „üns“ für uns, das im Mittelland zu „üs“ wurde oder Glunte gegenüber Glungge. Andererseits besteht vieles, was in die sprachliche Urzeit des Alemannischen zurückreicht. Sehr vieles davon ist noch nicht erforscht.
Es bestand wohl nie eine ganz flächendeckende Einheit, aber auf dem Rückzug ist die ohrenfälligste Eigentümlichkeit vokalischer Art: In der Stammsilbe wird häufig ein -i- gesprochen, so sonst nirgends in der Schweiz, wie der Liärch ‚die Lärche‘, der Chies ‚der Käse‘, der Siee ‘der See‘, der Hier ‚der Pfarrherr‘. Dies war in Gsteig allgemein gebräuchlich, was die heute in Pension gehende Generation noch weiß, ist aber bereits nicht mehr allgemein! Es ist noch nicht lange her, da sprach man auch die Familiennamen so: Gieret/Gehret, Giermaa/Germann, Sieewer/Seewer. Es gab und gibt davon aber unterschiedliche Ausprägungen und Schattierungen, indem das nur teilweise oder bei einer Minderheit des Wortschatzes angewandt wird. Auch in Flurnamen tritt das natürlich, auf in der Matte Tieechrüter, ein Einzelhof hieß früher nach einem Frauenname ds Grieteli, heute Greteli, ds Dürr Sieewli ist die
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 1 Franz Küenlin schrieb im „Der Kanton Freiburg, historisch, geographisch, statistisch, geschichtlich, gedruckt 1834 in St. Gallen und Bern zu Jaun FR: „Die dasigen 424 Einwohner sprechen beinahe ausschließlich das Simmenthaler Deutsch“. Es gibt auch über Jahrhunderte hinweg keine Familiennamen aus dem deutschen Sensebezirk in Jaun.

2 Marti, Rolf. Deutsche Siedlungsspuren im Greyerzerland. Mitteilungen Sprachkreis Deutsch/Bubenberggesellschaft Bern. 2018; Heft 1, S. 35ff.

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heimische Form für das regionsfremde „Dürrseeli“ von Swisstopo. Die Alp Seebärg wurde noch im letzten Jahrhundert Sieebärg gesprochen, hingegen sprach man nie vom darunterliegenden „Arnesiee“. Dies ganz im Gegensatz zum bekannten Louwenesiee (Lauenensee), wo Sieematte, Sieeläger, Hinder em Siee sind. In der Gemeinde Lauenen sprechen zwei Drittel der Einwohner heute noch mehrheitlich so.
Ein lokaler Geschichtsforscher, der Sprachaufnahmen aus den 1920er Jahren vom Gstaad hörte, meinte einmal, die damaligen Gstaader hätten aber stark „glouweneret“, gesprochen so wie eben in der Lauenen heute. Beim Gymnasiumbesuch in der Stadt Bern wurde er wegen seiner Sprache ausgelacht. Als er einmal einen Schulkollegen mit nachhause nahm, musste die ganze Familie ihre Sprache umstellen, weil der Städter buchstäblich kein Wort verstand und den Gesprächen nicht folgen konnte, die Mundart war für ihn wie eine Fremdsprache… Von daher bietet die Gemeinde Jaun einen interessanten und lebendigen sprachlichen Rückblick auf die früheren Verhältnisse im Saanenland und Obersimmental, denn dort sprechen alle noch in dieser alten Lautung. Dies war ursprünglich auch im Obersimmentaler Deutsch der Fall, das sich deutlich vom Niedersimmental unterscheidet. An der Lenk hörte ich noch von alten Leuten jemde ‚emden‘, Chies ‚Käse‘, Lierch‘ Lärche‘, der Rätzlibärg mit dem großen Gletscher heißt dort herkömmlich Rietzlibärg. 3 Auf der Alp unten gibt es eine Schnieeweid. In St. Stephan gibt es auf dem Rüwlispass nahe der Saaner Gemeindegrenze Griedimeder, gerade Mähder in ihrer Ausdehnung.

Diese Vokallautung gibt es in der ganzen Schweiz nur hier, sowie eben in Italien im Lystal, dem längsten Seitental des Augstales (Aostatals) in 3 Gemeinden und in der Gemeinde Makana/Macugnaga 4 und früher in der Westhälfte des Kantons Graubünden (Davos, Klosters, Prättigau und z. T. Vals), sonst nirgends: Es sind Zeugen der Auswanderungs-geschichte. Gir in Bergnamen (Maienfeld, Schiers, Klosters) wird heute von der Sprachwissenschaft peinlicherweise mit der Bedeutung ‚Geier‘ versehen 5 , Folge von willkürlichen, zusammenhanglosen Vergleichen; richtig wäre Gehr. Faller ist ein mittel-alterlicher Familienname im Simmental und Saanenland, der auch in Italien und Graubünden auftrat. In Vals trat er in der Herzlichkeitsform „ds Fieli-Fälli“ auf, geschrieben aber Vieli. Die Gemeindeeinwohner bezeichnen sich als „Fallera“, welches wegen des Gemeindenamens verwirrend „Vallera“ geschrieben wird, auch das Fallerhorn (fälschlich „Valserhorn“ auf der Landeskarte oder in der Werbung). Faller ist aber eine Bäuert, die wohl die wichtigste war und darum der Bewohnername wurde (geschrieben heute jedoch „Vallé“).
Die im Berner Oberland einst beheimateten Enderlin besiedelten zuerst das Tavetsch im hinteren Teil, wo der Name zum heutigen „Hendry“ romanisiert wurde. Als diese Gemeinde ganz romanisch wurde, zogen zwei Familien nach Vals, weil sie deutschsprachig bleiben wollten. Der Namensursprung schien jedoch verloren gegangen, wegen der amtlichen wurde auf die ver- welschte Form abgestützt und der Name zu Heini verdeutscht. Die Gehret wurden zu Gieriet romanisiert mit dem vermeintlichen Bezug zum Vornamen Georg. In Vals wiederum wurde der
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3 Im Berner Staatsarchiv besteht ein Plan des Stafelneubaus 19. Jh., abgelegt unter dem falschen Namen „Ritzliberg“.
4 siehe Marti, Rolf. Die Flurnamen von Makana und ihr Bezug zur Alpennordseite. Mitteilungen 2018, Heft 3, S. 27f.
5 wie z. B. www.ortsnamen.ch oder Schorta, Andrea. Wie der Berg zu seinem Namen kam. Terra Grischuna, S. 91.

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Name verdeutscht zu Jörger. Der Saaner Name Aellen wurde zu Illjen (da der Umlaut -ä- im Rätoromanischen fehlt). Die Felswand Stierebrand in Vals ist nicht die Übertrumpfung des Kalbs mit größeren Tieren, sondern bedeutet „Sternenbrand“ und muss auf der Ostseite des Tales liegen, da die Sterne in einem Tal mit Nord-Süd-Richtung dort zuerst aufgehen. So entstehen aus Missverständnissen Folgefehler und kulturelle Entfremdungen gegenüber dem Ursprung.
Im Saanetütsch 6 findet man zahlreiche alte Wörter, welche man zum Teil im Schweizerischen Idiotikon, dem Wörterbuch der schwei- zerdeutschen Sprache, vergebens sucht. Viele sind, wie sonst auch in der Deutschschweiz, durch ihre Ähnlichkeit mit dem Englischen und dem Fehlen im Schriftdeutschen gekennzeichnet. So bedeutet aatschänze ‚keck anreden‘ (vgl. cheeky), after ‚zum zweitenmal‘ (wie aftur im Isländischen!), aläärt ‚ausgelassen, lustig‘ (engl. alert‘), chlofe ‚rundes Holzstück zum Seile befestigen, engl. clog‘, chücke ‚ducken‘/knuckle under, „dwägna“ ‚des Weges/by the way‘, ersülke ‚durchnässen‘/soak ‚ geimele ‚sich versäumen‘,
z. B. auf dem Schulweg, vgl. engl. game). Weitere alte Wörter, die auch sonstwo im Gebrauch sind: antere ‘antworten‘/to answer, der Antervogel ist der Papagei), Bääch ist eine Geländestufe (in Einsimmen/Issime im Lystal AO (Valle di Gressoney) Bench, je inkl. Flurnamen), chötte (Tiere rufen/to chat), dr Fack ‚Auseinan- dersetzung‘ (s. dazu Fack II (Berndeutsch) im Idiotikon, Spalte 1/1724) und fecken (auch fächten, Idiotikon, Sp. 1/1728)/fight), falb ‘hellbräunlich, falb‘/fallow. In Flurnamen ist ein Gubi eine freistehende Anhöhe, älter Guw (Vorsaß Guwlang, vgl. Gupf). Die geografische Verbreitung dieser Flur nur im Berner Oberland und den bisher falsch bezeichneten „Walsergemeinden“ in Graubünden und Italien spricht Bände für den Ursprung. Bei der Kä- sefabrikation wird in der Zwischenstufe der Käseproduktion der
„Schluck“ gereicht (jogurtähnlich), der als sieftere (süßlich, vgl. engl. soft) und suure besteht. Dazu nimmt man frische Nydle ‚Rahm‘. Einzig bei der Käseproduktion oder wenn eingeschenkte Milch eine Haut bildet, nennt man diese (ds Rum“ (= Rahm im Schriftdeutschen, jedoch mit unterschiedlicher Bedeutung). Das sind die einzigen Momente, wo „Rahm“ im West-Alemannischen verwendet wird.
Ubersahre meint das Überführen von Land durch Wasser oder Murgang - analog versehren, aber mit anderer Vorsilbe. Die Auswanderung auf die Alpensüdseite und die Rück-beziehungen über die Pässe, welche vor 500 Jahren von den Gletschern geschlossen wurden, brachten auch einzelne italienische Worte in die Sprache zurück: Zuerst wird auf ein besonderes Wort verwiesen, das unzweideutig die Beziehungen zu den deutschen Ge- meinden auf der Alpensüdseite belegt. Im Lombardischen besteht das Hauptwort stria ‚Hexe‘. Daraus formten die Hasler im östlichen Berner Oberland das Verb stridlen (nach deutscher Art 'hexen', was es im Lombardischen aber nicht gibt!). Dieses gelangte über die Hintere Gasse ins Saanenland, wo der Strüdler der Teufel ist, was geografisch nur hier vorkommt, nicht im Süden (außer Strüddil Hexenmeister Issime und Stridil (ital. stregone) in
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6 Saanetütsch, E Sammlig va Mundartsätzlene u -wörtlene u däru Bedütig us em Saaneland vo früjer bis hüt. Verlag Müller Medien Gstaad, 2020.
Friedli, Emanuel. Saanen: Bärndütsch als Spiegel des bernischen Volkstums. Band 7: Saanen. Bern (Francke) 1927. Der Autor schrieb von ausgewählten Berner Gemeinden reichhaltige Kultur-bände, war in Saanen wohnhaft und verfasste diesen Band ganz am Schluss seines Lebens. Seine Nachfahren leben heute in Argentinien.

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Alagna Valsesia 7, und darum genau als fremder Einfluss eingegrenzt werden kann.
Im Saanenland haben solchen Ursprung Faschinen ‚Strauchholzbündel‘, Stäärle ‚unfruchtbare Geiß‘, verdaniewe ‚schädigen‘ (aus it. danneggiare) + achcher ‚angelehnt an der Türe‘, gekürzt aus it. accostare), sowie tremächten (betteln/it. tremare ‚zittern‘).
Angesichts der seit dem Mittelalter belegten Siedlungsbewegungen und Bezüge sowie angesichts des Handels mit mehrheitlich frankoprovenzalischer Bevölkerung - nach Westen war der Jomen (Col de Jaman) bis ins 19. Jh. ein vielbegangener Pass, der Saaner Käse wurde auf dieser Route schon im 16. Jh. bis nach Marseille verkauft - muss es nachgerade erstaunen, wie rein sich das Saanetütsch über all diese Jahrhunderte zu erhalten ver- mochte. Die Wörter fremden Ursprungs sind äußerst überschau- und zählbar geblieben. Mit dem Tourismus und Handel kamen auch französische Wörter auf. Diese werden eher im Spaß verwendet, es fehlt nicht an deutschen Begriffen dafür. Es ist sehr individuell, wie das gebraucht wird: Zerschellt etwas am Boden, geht es z’millebrigge (en mille briques), es Pötti ist ein Kind (petit), die Gawe ein Tierschwanz (queue). Ihre Anwendung wirkt durchaus gekünstelt. 8 Hie und da sagt mal einer eher merci beau- coup statt danke vilmaal. Der Abbitz ist ein unangenehmer Beige- schmack, wofür es auch Abguw (le goût) gibt, sprachlicher Austausch über die Sprachgrenze. Solche Wörter sind aber nicht zahlreicher, als sie in der Deutschschweiz angewandt werden und eher im Rückgang. Aber schon im 20. Jh. konnte man feststellen, dass viele Saaner recht gut französisch sprechen. Zum Teil rührt das daher, dass früher das Welschlandjahr noch sehr verbreitet war oder sonst viele zeitweise im Welschen arbeiteten oder wohnten. Auch heutzutage sprechen die Saaner im Durchschnitt besser Französisch als die übrigen Berner. An den Ufern des Genfersees leben heute mehr Saaner als im Saanenland selbst.
Die besonderen und alten sprachlichen Qualitäten im Saanenland wurden schon oft festgestellt, blieben aber noch nicht gehörig erkannt: „Die Saaner Mundart gehört zu den bemerkenswertesten mittelalterlichen alamannischen Dialekten altgermanischen Ursprunges (J.P. Métral).9 Es ist klar, dass der Tourismus seine Folgen zeitigt, obwohl er in der Bäuert Gstaad als einer von 10 Bäuerten der weitläufigen Gemeinde Saanen verhältnismäßig spät einsetzte. 1904 erreichte der Zug Gstaad, als Innovation die erste, vollständig elektrifizierte Eisenbahn (MOB), und die ersten Hotelbauten schossen erst in dieser Zeitspanne aus dem Boden, viel später als in anderen Tourismusorten. Dafür waren sie auf dem allerneusten Stand mit fließend Warm- und Kaltwasser sowie Strom. Heiraten mit Anderssprachigen und Deutschsprachigen aus anderen Regionen, Zuwanderung sowie starke Abwanderung blieben natürlich nicht ohne Einfluss auf die heutige Sprache. Es gibt eine Reihe von eigenen Ausdrücken. So sagt man scherzhaft, wenn ein Zug oder Postauto vorbeifährt und man keine Insassen erkennen kann, dass alle darin am Nüsche“ (‚die Schuhe binden‘) sind, weshalb man sie von außen nicht sehen kann. Wird etwas ausgeleert, dann tut man es lööse. Lüfte enthält die alte Bedeutung von ‚anheben‘, wie auch bürre. Die Gesamtheit der Landwirte wird als Buresami ‚Bauernsame‘ bezeichnet. Einer meinte im Spott, dann sei er „es Sämli“…Die Endung ist aber nicht an dieses Wort gebunden, Gnosssami ‚Genossenschaft‘,

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7 Dort sagt man für Pilze wie in Saanen auch „Tüüfelshubi“ (Teufelshau- ben, weil es viele giftige darunter hat.).
8 Wie in Saanetütsch (s. Fußnote 10), Geschichtlein auf S. 11.
9 Zwahlen, J.R.D. Mittelalterlicher Kleingrundbesitz im Saanenland. Saaner Jahrbuch 1973, S. 100.

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Notarsami ‚die Notare‘. Die Schaal war der gebräuchliche Aus- druck, Metzgerei kam erst mit den Touristen auf, welche danach fragten, was die Einheimischen nicht verstanden. Als vor Jahr- zehnten ein Tourist aus Deutschland eine ältere Saanefrouw etwas fragte, wandte sich diese an einen in der Nähe stehenden Saaner mit der Aufforderung: „Muesch cho ubersetze, än Änglische…“, du musst übersetzen kommen, da ist ein Englischer…so unmöglich war die Kommunikation! Daneben bestehen halt Si- tuationen, welche die Saaner zur Anpassung im Alltag drängen. In einem Geschäft meinte der Saaner Verkäufer zur Kundin, sie wolle den gesuchten Gegenstand sicher stäle (zuhause eher ‚hinstellen‘ als hinlegen), wobei sich die Dame empörte und sich verbat, vom Verkäufer als Diebin hingestellt zu werden. Verwechs- lungen wegen der hellen Aussprache von Vokalen in gewissen Wörtern bewirken im Alltag halt ein Anpassen und ein Abflachen der Sprache.
Dennoch wird die gepflegte Mundart sehr geschätzt; an öffentlichen Abendsitzen im Saal des gemeindeeigenen Hotels Landhaus ist der große Saal jeweils gefüllt, das Interesse bleibt leben- dig. Ausdruck davon ist auch das kleine Wörterbuch10, das vor drei Jahren erschien (mittlerweile 3. Auflage), oder das 2023 erschienene Buch der Flurnamen der Kuhalpen im Saanenland11, wovon der Verfasser einer der drei Autoren ist, welches auf herzliche Unterstützung und Aufnahme in der Bevölkerung stieß.

10 Von Grünigen, Ruth und Albert et al. Saanetütsch. E Sammlig vo Mundartsätzlene u -wörtlene u däru Bedütig us em Saaneland vo früejer bis hüt. Saanen (Müller) 2021, 2023 ( erweiterte Auflage). ISBN: 978-3-907041-86-4.
11Ryter, Gottfried; Reichenbach, Ruedi; Marti, Rolf. Flurnamen
– Kuhalpen Saanenland. Saanen (Müller Medien) 2023.
ISBN: 978-3-907041-87-1. 160 Seiten. Preis: Fr. 28.
https://www.mmedien.ch/verlagsprodukte/buecher/bestellformular-flurnamen/
Das Saanenland erstreckt sich über 300 km2. Dieses Buch erfasst die Kuhalpen – oder „Chuebärga“ auf Saanendeutsch. Das Nachschlagewerk bietet neben den Karten und Flurnamen des Saanenlan- des auch einige geschichtliche Erklärungen. Dazu mussten unzählige Älpler und andere kundige Gewährsleute befragt werden, um fehlerhafte oder ungenaue Flurnamen in bereits publizierten Werken oder Karten aus dem letzten Jahrhundert richtigzustellen.

Maria Lauber

 Blick vom Giferhorn nach Norden

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