LEHRER L€MPEL: DER BINDESTRICH

von Dr. Ch. Gštzeler

Hier kommt Lehrer LŠmpel! Mit wachem Blick auf den heutigen Sprachgebrauch greift er Unsicherheiten und Ungenauigkeiten auf. Er klŠrt, korrigiert und kommentiert und mšchte gemeinsam mit Ihnen darŸber nachdenken, wohin unsere Sprache geht und wohin sie gehen soll.

In dieser Ausgabe widmet er sich einem kleinen, aber feinen Strich, der bisweilen eine entscheidende Rolle spielt: dem Bindestrich.

 

Wie der Name andeutet: Ein Bindestrich schafft Verbindungen. Und wenn man den Sprachgebrauch nŠher betrachtet, stellt man fest, dass es hier und da ruhig ein wenig mehr an Verbindung sein dŸrfte.

Ein Bindestrich kšnnte in vielen FŠllen aber auch Gliederungsstrich heissen. Denn neben dem Binden ist seine wichtigste Funktion die Gliederung. Er gliedert Wšrter, um die VerstŠndlichkeit und die Lesbarkeit zu fšrdern. Damit ist er ein wichtiges Signal und ein Hilfsmittel fŸr den Leser und sollte vom Schreiber auch als solches – in der richtigen Dosis – genutzt werden. (Sprecher und Hšrer kšnnen wir hier ausser Acht lassen, da nur die schriftliche Sprache mit dem Bindestrich in Kontakt kommt.)

 

Im Vergleich zu anderen Spracherscheinungen bietet der Bindestrich dem Benutzer recht viel Gestaltungsspielraum. SelbstverstŠndlich gibt es aber einige definitive Regeln und wesentliche Punkte zu bedenken!

 

Beginnen wir mit einigen unumstšsslichen Bindestrich-FŠllen: Die *sfšrmige Kurve, das *ItŸpfelchen oder das *Plurals muten zu Recht kurios an, ebenso die *Ddurtonleiter oder der *UsprŠsident bzw. *USPrŠsident. Bei s-fšrmig und beim I-TŸpfelchen, beim Plural-s oder der D-Dur-Tonleiter sowie beim US-PrŠsidenten, also bei Zusammensetzungen mit Einzelbuchstaben oder Akronymen, wŸrde wohl niemand auf die Idee kommen, auf den Bindestrich zu verzichten, und es ist Ÿberdeutlich, wie sinnvoll der Strich hier im Dienste der VerstŠndlichkeit eingesetzt wird.

 

In weiteren FŠllen ist der Bindestrich nicht zwingend, aber absolut ratsam – hier geht es darum, MissverstŠndnisse zu vermeiden: Nur durch den Bindestrich lŠsst sich der Buchende vom Buch-Ende unterscheiden, das Druck-Erzeugnis vom Drucker-Zeugnis, die Texter-Fassung von der Text-Erfassung und die Windbeutelei vom Windbeutel-Ei.

Ebenfalls durch den Bindestrich kann man klarstellen, dass die Miet-Stube keine Tube ist und die Urlaubs-Alben nichts mit Salben zu tun haben. Moment – darf man hier Ÿberhaupt trennen, wenn ein Fugenzeichen (das ãsÒ am ãUrlaubÒ) im Spiel ist?

Ja, man darf. Allgemein gilt die Aufgliederung der Wortbestandteile durch Bindestrich bei einem Fugenzeichen zwar als nicht besonders schšn. Und Formen wie Geburts-Tag, Liebes-Brief oder Hochzeits-Torte sind auch nicht zu empfehlen. Im Zweifelsfall wird aber der Klarheit und VerstŠndlichkeit Vorrang eingerŠumt. Konkret heisst das: Die Bindestrichschreibung ist zu diesen Zwecken auch beim Fugenzeichen erlaubt.

 

Nicht jeder Bindestrich jedoch sorgt fŸr gršssere VerstŠndlichkeit und Klarheit. Es gibt Liebhaber des Bindestrichs, die gar nicht genug von ihm bekommen kšnnen und SŠtze im Stile des folgenden fabrizieren:

Im Mitteilungs-Heft des Sprach-Kreises Deutsch erfŠhrt man, dass der Binde-Strich dem Benutzer recht viel Gestaltungs-Spielraum bietet und dass der Binde-Strich auch beim Fugen-Zeichen prinzipiell erlaubt ist. – Es ist offenkundig, dass eine solche Art der Zerkleinerung den ãLese-FlussÒ erheblich stšrt und vermieden werden sollte. Auch in weniger gravierenden FŠllen ist es empfehlenswert, zu prŸfen, ob der Bindestrich eher fŸr †bersichtlichkeit oder fŸr ZerstŸckelung sorgt. Bei Komposita aus zwei Ÿbersichtlichen Bestandteilen ist eher Letzteres zu vermuten. (Ein Spezialfall sind Bindestriche zur markanten Hervorhebung, z. B.: ãDas ist kein Binde-Strich, das ist ein Trenn-Strich!Ò)

GrundsŠtzlich gilt es, abzuwŠgen und Bindestriche mit Bedacht zu setzen.

 

Aufpassen muss man auch, dass Bindestriche logisch sinnvoll gesetzt werden. Man spricht hier von ãHauptfugeÒ: Es heisst also nicht *Geigen-Lehrerdiplom, sondern Geigenlehrer-Diplom; nicht *Sonnen-Blumenšl, sondern Sonnenblumen-…l. NatŸrlich finden wir auch Zusammensetzungen mit mehreren Mšglichkeiten, bei denen dann der Bindestrich sinnentscheidend ist: Sommerblumen-Strauss oder Sommer-Blumenstrauss, Damen-Kleidermarkt oder Damenkleider-Markt.

 

Nun gibt es in der Sprache aber prinzipiell nicht nur die Wahl zwischen Bindestrich- oder Zusammenschreibung, sondern auch die dritte Mšglichkeit – die Getrenntschreibung!

So lachen uns AusdrŸcke an wie Augen Make-up Entferner Pads und Schoko Kuchenriegel, Griess Pudding, Curry Geschnetzeltes, Bio Mandeln, Kartoffel Knšdel.

Hier ist der sprichwšrtliche ãMut zur LŸckeÒ fehl am Platze. Die Getrenntschreibung von Komposita ist im Deutschen nicht vorgesehen. Solange uns diese seltsamen Formen nur auf Produktverpackungen begegnen, stellen sie zumindest in punkto VerstŠndlichkeit kein grosses Problem dar. Innerhalb eines Satzes jedoch sorgen sie schnell fŸr Irritation (ãGibst du mir mal deine Augen Make-up Entferner Pads?Ò) und sollten unbedingt mit verbindenden Bindestrichen angereichert werden.

Ebenso spŠrlich gehen manche Schreiber beim sogenannten Durchkoppeln vor. Falsch: ãSein den Kopf in den Sand-Stecken Šrgert mich!Ò Richtig: ãSein Den-Kopf-in-den-Sand-Stecken Šrgert mich!Ò Falsch: ãDas war das reinste Katz-und-Maus SpielÒ. Richtig: ãDas war das reinste Katz-und-Maus-SpielÒ. FŸr zweigliedrige Substantivierungen hingegen gilt normalerweise die Zusammenschreibung: das Strickenlernen, das Sichverabschieden. Und auch bei mehrgliedrigen, aber sehr Ÿbersichtlichen FŸgungen ist dies mšglich, z. B. das Nachhausegehen.

Ansonsten lautet die Regel: Die Bindestriche werden zwischen allen Bestandteilen konsequent und durchgŠngig gesetzt! Dies gilt ebenso fŸr die Zusammensetzungen mit FŸgungen, die bereits einen Bindestrich tragen, also z. B.: D-Dur-Tonleiter, 3-Zimmer-Wohnung (nicht *D-Durtonleiter und auch nicht *D-Dur Tonleiter, nicht *3-Zimmerwohnung) oder mehrere gleichrangige Wšrter, die vor einem Zweitglied stehen, z. B. Vater-Sohn-VerhŠltnis, Apfel-Birne-Vergleich, Kartoffel-KŸrbis-Suppe. Es zeigt sich wieder: Hier muss der Logik entsprechend gegliedert werden!

 

Kommen wir zu einem Dauerthema der deutschen Sprache, das auch bezŸglich Bindestrichen interessant ist: Anglizismen. Abgesehen von den bisher genannten TŸcken stossen wir hier auf Probleme, die sich aus dem Kontakt zweier Sprachen mit unterschiedlichen Regeln ergeben. In Kurzfassung: Im Englischen sind getrennt geschriebene Wortzusammensetzungen an der Tagesordnung: bus stop (Bushaltestelle), heart attack (Herzinfarkt), birthday cake (Geburtstagskuchen), play school (Kindergarten) usw.

Es ist denkbar, dass dies auch den oben genannten falsch verstandenen ãMut zur LŸckeÒ im Deutschen fšrdert. Zudem scheint die ãGrosszŸgigkeitÒ gegenŸber der Getrenntschreibung im Englischen manche Sprachbenutzer dazu zu verleiten, Anglizismen auseinanderzureissen, die im Englischen gewšhnlich gar nicht getrennt geschrieben werden, z. B. Make up, Start up, Bubble Gum.

Letztlich ist die Schreibung im Englischen jedoch ohnehin irrelevant: Wenn Wšrter aus anderen Sprachen ins Deutsche importiert werden, gelten fŸr sie grundsŠtzlich dieselben Regeln wie fŸr einheimische AusdrŸcke bzw. etablierte Wšrter.

So heisst es korrekt: Make-up, Start-up (auch, aber nicht empfehlenswert: Startup), Bubblegum, Best-of, Check-out, Log-in. 

Eine Ausnahme bilden Zusammensetzungen aus einem Adjektiv und einem Substantiv, die auch im Englischen getrennt geschrieben werden. Bindestrichschreibung ist hier nicht vorgesehen. Liegt der Hauptakzent auf dem ersten Bestandteil, kann man zusammenschreiben (Upperclass, Bigband, Smalltalk, Blinddate) oder – wie von der Schweizer Orthografischen Konferenz empfohlen – getrennt: Upper Class, Big Band, Small Talk, Blind Date. Und schliesslich: Happy End.

 

Haben Sie weitere Fragen zum Bindestrich? Haben Sie Fragen zu anderen sprachlichen Themen oder Unklarheiten? Die Schweizer Sprachberatung hilft Ihnen gerne weiter!

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