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Lern- und Übungsmaterial für Deutsch / Learning and Training Material for German and English
EINE WEITERE ÜBUNG ZUR INDIREKTEN REDE
SETZEN SIE DIESEN LEITARTIKEL DES BUNDS IN DIE INDIREKTE REDE!
(publiziert vor der Abstimmung zu den Bilateralen Verträgen mit der EU vom 21.5.2002)
L'Europe existe! Auch für die Schweiz
• KONRAD STAMMAm Ende des 15. Jahrhunderts, sagen die Historiker, wurde die Weltgeschichte eurozentrisch:
Die Historiker sagen, …
Fast alles, was die heutige Welt von derjenigen der Mongolen und Mamelucken unterscheidet - sei es in der Wissenschaft, der Technologie oder der Politik - stammt ursprünglich aus Europa.
Sieht man vom Römischen Reich ab, so ist im Lauf der Geschichte dreimal versucht worden, Europa zu vereinen.
Die beiden ersten Versuche, durch Napoleon und Hitler, erfolgten gewaltsam, waren auf Unterwerfung ausgerichtet und scheiterten beide in einem grossen Blutvergiessen.
Der dritte Versuch begann vor etwas mehr als fünfzig Jahren mit Churchills Vision, die er in seiner berühmt gewordenen Zürcher Rede zum Ausdruck brachte.
Churchill sagte damals: «Der erste Schritt zu einer Neuschöpfung der europäischen Völkerfamilie muss eine Partnerschaft zwischen Frankreich und Deutschland sein.
Wenn einmal das Gefüge der Vereinigten Staaten von Europa gut und richtig ist, dann wird die materielle Stärke eines Staates weniger wichtig sein: Kleine Nationen werden genauso viel zählen wie grosse.»
Das war, in wenigen Worten zusammengefasst, ein weitsichtiges Programm für die Einigung Europas.
Jean Monnet, Robert Schumann, Konrad Adenauer und Alcide De Gasperi begannen, Churchills Vision in die Tat umzusetzen.
Kernidee der Architekten dieses dritten Einigungsversuchs war von Anfang an, in ganz Europa Frieden und Stabilität zu schaffen.
Doch die Realität des Kalten Krieges zwang zunächst zur integrationspolitischen Beschränkung auf Westeuropa.
Erst nach dem Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989 konnte die Verwirklichung des ursprünglichen Ziels wieder ins Auge gefasst werden.
Inzwischen ist die Europäische Union so erfolgreich und attraktiv geworden, dass sich die mittel- und osteuropäischen Länder praktisch ausnahmslos um die Mitgliedschaft bewerben.
Und die bisherigen EU-Mitglieder müssen dessen gewahr werden, dass sich Sicherheit, Demokratie und Menschenrechte in ganz Europa auf die Dauer nur verwirklichen lassen, wenn die Zweiteilung des Kontinents endgültig überwunden wird.
Der Balkan lässt sich aus dem künftigen Europa so wenig ausschliessen wie Polen oder die baltischen Staaten.
Das «Unternehmen Europa» ist anspruchsvoll und anstrengend, und es geht nicht ohne Rückschläge ab, wenn dreissig Staaten mit mindestens zwanzig verschiedenen Rechtssystemen und ebenso vielen Sprachen auf friedlichem Weg vereinigt werden sollen.
Die Unfähigkeit der EU, auf dem Balkan für Stabilität zu sorgen, zeigt, dass die Gemeinschaft noch einen weiten Weg zurückzulegen hat.
Trotzdem ist der europäische Integrationsprozess, der 1951 mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (der Montanunion) begann, 1954 mit der Absage Frankreichs an die Europäische Verteidigungsgemeinschaft den ersten Dämpfer erlitt und 1957 mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) fortgesetzt wurde, eine Erfolgsgeschichte sondergleichen.
Das Rezept, Friedenssicherung auf dem Umweg der wirtschaftlichen Zusammenarbeit anzustreben, hat sich bewährt.
Noch nie gab es in Europa eine derart lang dauernde Periode des Friedens und der Prosperität.
Nicht nur wurde in bisher drei Erweiterungsrunden die Mitgliederzahl der Gemeinschaft von ursprünglich sechs auf heute fünfzehn erhöht, sondern es fanden laufend auch Schritte der qualitativen Vertiefung statt - von der Zollunion bis zur Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion im vergangenen Jahr.
Europa als «Prozess»
Beides gleichzeitig, Erweiterung und Vertiefung der EU, wird künftig kaum mehr möglich sein.
Es zeichnet sich deshalb ab, dass sich Europa in zwei oder mehr Geschwindigkeiten fortentwickeln wird: flexibel, wie es sich bereits bei der Einführung des Euro oder beim Schengener Abkommen erwiesen hat.
Eines ist indessen sicher: L'Europe existe!
Seit 50 Jahren gibt es ein politisches Europa, und zwar nicht als ein für allemal fest gefügtes System, sondern als fortwährenden Prozess der quantitativen Erweiterung und der qualitativen Vertiefung.
Der «gemeinsame Markt» hat den europäischen Völkern nicht nur wirtschaftlichen Fortschritt und materiellen Wohlstand, sondern auch Demokratie, Sicherheit und Frieden gebracht.
Davon profitiert die Schweiz in nicht geringem Umfang.
Wir haben uns längst an das real existierende Europa angepasst - sei es in der Gesetzgebung, sei es im praktischen Alltag. Auch das sollten wir bedenken, wenn wir in der Volksabstimmung vom 21. Mai unser Verhältnis zur EU neu festlegen.